Vom Schatten ins Licht!

Beeindruckend offen erzählt Joseph Njoroge seine persönliche Geschichte als Straßenkind in Kenia. Die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9c der Realschule Bünde-Nord durften sie aus erster Hand hören und erleben.

Lernen kann man immer. Besonders gut gelingt dies, wenn Menschen uns aus ihrer eigenen Lebenserfahrung berichten, ohne dabei die unschönen Seiten auszulassen. Joseph Njoroge aus Kenia ist so ein Mensch. Leidenschaftlich, authentisch und überzeugend zog er die Neuntklässler von Beginn an in seinen Bann. „Ich stamme aus den Slums Eldorets in Kenia“, so Njoroge. „Als ich geboren wurde, war meine Mutter gerade einmal 15 Jahre alt und ich hatte bereits einen älteren Bruder. Meine Mutter hatte keine Arbeit, kein Geld, keine staatliche oder private Unterstützung, nichts, womit sie unseren Lebensunterhalt hätte bestreiten können. Jeder einzelne Tag war Hunger und Leid. Sie war niemals über die Grenzen des Armutsviertels hinausgekommen und, wie wir Kinder, der Rohheit und Unerbittlichkeit dieses Umfelds schutzlos ausgeliefert.“

Mit sieben Jahren verließ Njoroge die Blechhütte seiner Mutter. Um nicht zu verhungern oder von den wechselnden „Freunden“ der Mutter zu Tode geprügelt zu werden, entschied er bereits in diesem jungen Alter, für sich und seine kleine Schwester ums Überleben zu kämpfen. Fortan lebte er auf den Straßen Eldorets und später Nairobis und geriet bald mit Drogen, Waffen und dem Gesetz in Konflikt. Dieses chaotische, gewalttätige und unvorhersehbare Leben wurde Alltag für Njoroge, der nach eigenem Bekunden zeitweilig nicht mehr wusste, warum er überhaupt lebte. „Nur für meine kleine Schwester habe ich weitergemacht“, erzählt Njoroge und wird ernst. Doch wer mit dem Finger auf Menschen zeigt, die einmal kriminell waren, geht davon aus, dass Menschen sich nicht ändern können. Joseph Njoroge ist ein überzeugendes Beispiel für Veränderung. „Ein Mensch, von Gott gesandt“, so ist der Kenianer heute überzeugt, „holte mich von der Straße.“ Ein deutscher Missionar suchte ihn immer wieder in den Straßen Nairobis auf und überredete ihn, in seinem Kinderheim zu wohnen. Nach unzähligen Versuchen - Flucht zurück auf die Straße, wieder kriminell, zurück ins Heim, wieder Flucht - schaffte es Njoroge irgendwann, zu bleiben. Er besuchte die Schule, war bald Klassenbester, besuchte die Universität, war Jahrgangsbester und erhielt vielversprechende Angebote, Karriere zu machen. „Gott hat mich gefunden, ich bin ihm unendlich dankbar“, erzählt er mit großem Stolz. „Ich wusste plötzlich, dass ich etwas tun musste. Dass ich nicht tatenlos zusehen konnte, wie so viele Kinder auf den Straßen Nairobis um ihr Überleben kämpfen - kämpfen im wahren Sinn dieses Wortes. Ich musste sie aus diesem Sumpf befreien, etwas zurückgeben von dem großen Glück, das mir widerfahren ist.“

Heute leitet Njoroge mit seiner Frau ein Kinderheim (Global Hope Rescue and Rehabilitation Centre) für Straßenjungen, wie er selbst einer war. Er hält Vorträge in Schweden, Dänemark und Deutschland und erzählt seine Geschichte oder liest aus seinem Buch „Unbreakable“. Ein neues Projekt in Ngong ist bereits in Planung. Der Verein „Bauen als Mission e.V.“, der als Dienstleister christliche Organisationen bei ihren Bauprojekten unterstützt, nimmt sich dieser Aufgabe mit großem Engagement an und plant gemeinsam mit „Hirsch-Architekten“ einen größeren Campus in Ngong, einem Stadtteil von Nairobi. „Wir möchten mehr Kinder und Jugendliche aus ihrem traurigen Schattendasein herausholen und ihnen eine Zukunft geben“, so Jörg Burger vom Verein Bauen als Mission. Wir würden uns sehr freuen, wenn viele Menschen mithelfen würden. Jede Form der Unterstützung ist herzlich willkommen.

Die Schülerinnen und Schüler der 9c waren von der Herzlichkeit und Offenheit Njoroges gleichsam überrascht und berührt. Lernen aus dem Leben eines ehemaligen Straßenjungen war eine neue Erfahrung für sie, die den ein oder anderen noch eine Weile beschäftigen dürfte. Die gesammelte Spende (in Form von gebastelten Schmetterlingen) überreichte Julia Podolski im Namen der Klasse und erhielt ein großes Dankeschön und ein noch größeres Lächeln.

(Text und Fotos: KAH / Gestaltung: MUL)