Zurück an den Herd? Alte Rollenbilder wieder modern?

Realschule Bünde-Nord diskutiert über das Tradwife-Modell

Am Montag dieser Woche veranstaltete der Sowi-Kurs 10 der Realschule Bünde-Nord unter der Leitung von Elke Schoenfelder und der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Bünde, Zdravka Buettner, eine spannende und aufschlussreiche Diskussionsrunde unter dem Titel  „Zurück an den Herd? Alte Rollenbilder wieder modern?". Im Fokus stand das Tradwife-Modell, ein Lebensstil, der sich an den Rollenbildern der 1950er Jahre orientiert und in der letzten Zeit über TikTok und Instagram zunehmend Aufmerksamkeit erhalten hat.

Die Schülerinnen und Schüler hatten sich im Vorfeld intensiv mit dem – aus Amerika kommenden – Trend, bei dem sich einige Frauen bewusst für eine traditionelle Rolle als Hausfrau und Mutter entscheiden, auf Karriereambitionen verzichten und meist ihrem Mann Entscheidungen überlassen, auseinandergesetzt. In den sozialen Medien setzen die Influencerinnen (die durch ihre vielen Followerinnen über beträchtliche Einnahmen verfügen) ihr Lebensmodell ästhetisch und harmonisch in Szene. Typische Inhalte sind Backrezepte, Tipps zum Verwöhnen des Ehemannes oder Schminkanleitungen. Das Motto dabei lautet: „Hauptsache mein Mann ist glücklich!“ Der Fokus liegt dabei meist auf dem Schönen und Angenehmen im Alltag. Elke Schoenfelder war es dabei wichtig die Vor- und Nachteile, die Ziele ,Risiken, Ursachen und Gefahren für die Renaissance dieses Rollenverständnisses kennenzulernen. Diese Vorbereitung bildete die Grundlage für eine fundierte und differenzierte Diskussion während der Veranstaltung.

Zu den Gästen zählten Susanne Rutenkröger (Bürgermeisterin der Stadt Bünde), Martin Schuster (Unternehmer und CDU-Fraktionsvorsitzender), Doris Uppenbrock (Vorsitzende der Landfrauen), Annika Tismer (AWO KitaBünde), Ulrich Martinschledde (Seelsorger und Ansprechpartner der Katholischen Kirche im Kreis Herford und Minden) und Franziska Kolmar (Femina Vita). Nach einer persönlichen Vorstellung musste jeder Gast einen vorbereiteten Satz vollenden, was den Zuschauer*innen Einblicke in ihre individuellen Perspektiven bot.

Im Anschluss wurden den Gästen verschiedene Fragen gestellt, die sich mit dem Umgang mit der Tradwife-Bewegung in unserer heutigen modernen Gesellschaft befassten. Warum entscheiden sich Frauen heute, in einer Zeit, in der Gleichberechtigung, berufliche Selbstverwirklichung und individuelle Freiheit so hochgeschätzt werden, für ein Lebensmodell, dass nach dem Zweiten Weltkrieg Stabilität in die zerrütteten Gesellschaften bringen sollte? Wie kann die Wirtschaft insgesamt dazu beitragen, dass individuelle Entscheidungen über Rollenbilder respektiert und unterstützt werden? Welche Maßnahmen könnten ergriffen werden, um sicherzustellen, dass Frauen, die sich für ein Tradwife-Modell entscheiden, auch langfristig abgesichert sind? Welche Rolle spielen traditionelle Familienmodelle in der Erziehung und Betreuung der Kinder in der AWO-Kita? Wie sehen Sie die Zukunft der Geschlechterrollen in der Stadt Bünde, und welche Rolle könnte die Bünder Verwaltung und Politik bei der Gestaltung spielen?  Welche Initiativen gibt es, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in ländlichen Gebieten zu fördern? Wie kann die Kirche Frauen unterstützen, die sich zwischen Karriere und Familie entscheiden müssen?

Einigkeit herrschte darüber, dass jede Entscheidung, die eine Frau trifft, um ihre Rolle in der Gesellschaft zu definieren, respektiert und unterstützt werden sollte. Es wurde jedoch auch darauf hingewiesen, dass Frauen, die sich ausschließlich auf die Rolle der Hausfrau konzentrieren, wirtschaftlich von ihren Partnern abhängig werden könnten. Dies birgt das Risiko eines Verlusts an finanzieller Unabhängigkeit, Selbstwertgefühl und kann im Rentenalter durch die Erwerbslosigkeit zu Altersarmut führen.

Die Veranstaltung bot den Schülerinnen und Schülern des gesamten 10. Jahrgangs der Realschule Bünde-Nord  die Möglichkeit, sich aktiv an einem gesellschaftlich relevanten Diskurs zu beteiligen und verschiedene Sichtweisen kennenzulernen. Sie regte dazu an, kritisch über traditionelle Rollenbilder nachzudenken und die Bedeutung von Wahlfreiheit und Selbstbestimmung zu reflektieren.

Der "Talk am Mittag" an der Realschule Bünde-Nord verdeutlichte, wie wichtig es ist, jungen Menschen Raum für Diskussionen über gesellschaftliche Themen zu geben, die unsere Zukunft prägen. Die Fachschaft Sozialwissenschaft plant, auch in Zukunft ähnliche Veranstaltungen durchzuführen, um den Schülern weiterhin die Möglichkeit zu bieten, sich mit aktuellen und relevanten Themen auseinanderzusetzen.

 (Text und Fotos: SCH/Gestaltung: MUL)